Frank Werner plädiert für größeren Abwahlspielraum
Delitzsch. 48 Abiturienten des Delitzscher Gymnasiums sind seit Kurzem im Besitz der Hochschulreife. Das feierte der kleinste Jahrgang der Schulgeschichte im Oldtimermuseum Da Capo in Leipzig. Mittendrin: Schulleiter Frank Werner, Abiturjahrgang 1983, Schnitt "2,3 oder 2,4". Im Angesicht des Abschieds sprach der Biologie- und Chemielehrer über griesgrämige Jahrgänge, die hohe Quote an Durchfallern in diesem Jahr, seine eigene Schwäche auf sprachlichem Gebiet und die Bedeutungslosigkeit von Durchschnittsnoten.
Frage: Abiball - für Sie lästige Pflicht oder eher angenehme Abwechslung?
Frank Werner: Ich bin sehr gern hier. Es gehört natürlich zu meinen Aufgaben, als Schulleiter dabei zu sein. Ich sehe meine Anwesenheit aber auch als moralische Verpflichtung. Nach so vielen Jahren intensiver Zusammenarbeit bin ich den Schülern diesen Abschied einfach schuldig. Sie sind ohne Begleitung? Ja. Meine Frau ist ebenfalls Lehrerin. Das Thema Schule spielt eine große Rolle in unserem Leben. Deshalb trennen wir zumindest in solchen Belangen Berufliches und Privates.
Wie erlebten Sie die vergangenen beiden Jahre?
Es war ein sehr angenehmes Arbeiten. Die Schüler waren höflich, offen und freundlich. Und das sagen Sie nicht nur aus diplomatischen Gründen? Das meine ich ernst. Es gibt tatsächlich griesgrämige Jahrgänge, bei denen man als Lehrer mehr auf Distanz geht. Das war diesmal nicht der Fall.
Gibt es etwas, was Ihnen auch beim Eintritt in die Rente von diesem Jahrgang in Erinnerung bleiben wird?
Eine Schülerin musste in fünf Nachprüfungen an fünf Tagen. Das ist das absolute Maximum. Sie wusste bis vor drei Tagen noch gar nicht, ob Sie diesen Abend mit uns feiern kann. Aber sie hat es geschafft, sprichwörtlich auf der Zielgeraden. So etwas habe ich in meinem Lehrerdasein noch nicht erlebt. Das war eine riesige Energieleistung, vor der ich großen Respekt habe.
Stichwort Respekt: Luise Reichert glänzt mit einem Durchschnitt von 1,0. Wie groß ist die Ehrfurcht vor solchen herausragenden Leistungen?
Natürlich habe ich auch vor solchen Leistungen Hochachtung. Luise war eine sehr fleißige und herausragende Schülerin, die ihren Weg meistern wird. Aber ansonsten lege ich nicht allzu viel Wert auf Durchschnittsnoten? Inwiefern? Ich denke, der Durchschnitt sagt überhaupt nichts aus. Natürlich ist er mitunter entscheidend für den weiteren Weg, Stichwort Numerus clausus. Aber er ist kein Aushängeschild für den Menschen an sich. Der Gesamtschnitt lag in diesem Jahr bei 2,2. Das ist ziemlich gut. Mit fünf Schülern war die Quote der Durchfaller aber recht hoch.
Sind Sie mit der Gesamtleistung trotzdem zufrieden?
Im Großen und Ganzen ja. 81 Prozent haben einen Schnitt zwischen 1,0 und 2,9. Das ist sehr gut. Allerdings hatten wir uns in den vergangenen Jahren mit 97 bis 98 Prozent immer weiter an die Spitze im Einzugsgebiet der Bildungsagentur, Regionalstelle Leipzig, geschoben. Da sind wir nun ein wenig abgefallen. Auch von ein paar Schülern, die mittendrin aufgegeben haben, bin ich enttäuscht.
Wenn Sie am sächsischen Abitur-System etwas ändern könnten, was wäre das?
Ich würde etwas mehr zum alten System tendieren, bei dem die Schüler mehr Abwahlmöglichkeiten hatten. Ein kleines bisschen mehr Freiheit ist manchmal förderlich. Ich selbst war auf dem sprachlichen Gebiet eine absolute Niete. Wenn ich mich damit so intensiv hätte beschäftigen müssen wie die Schüler heute, hätte ich mich niemals so auf meine Lieblingsfächer Bio und Chemie konzentrieren können.