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Christian-Gottfried-Ehrenberg-Gymnasium

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Die Schule im Königreich Preußen, Teil 1
1815 bis 1882, von Herr Klaus-Jochen Krüger
Chronik

Die Gründung der Schule

Zunächst soll kurz über einige historische Hintergründe informiert werden.

1815 kam im Ergebnis des Wiener Kongresses Nordsachsen als Provinz zum Königreich Preußen. Das hatte zur Folge, dass auch Delitzsch in den Reformprozess des preußischen Schulwesens einbezogen wurde, der insbesondere durch Wilhelm von Humboldt mit der Errichtung von Gymnasien begann und sich verstärkt nach 1848 fortsetzte. Dabei spielten die Realschulen eine besondere Rolle, da sie mit ihren Bildungsangeboten den Erfordernissen der sich immens entwickelnden Wirtschaft und den entstehenden Verwaltungen am besten gerecht wurden.

So entstand auch in der Delitzscher Bürgerschaft das Bedürfnis, eine solche höhere Bürgerschule schrittweise aufzubauen. Am 12. Juli 1850 richteten 138 Bürger der Stadt ein Gesuch zur Errichtung einer „Realschule“ an den Magistrat der Stadt. Dieser nahm den Plan auf, sah aber erhebliche Schwierigkeiten in einem geeigneten Schulgebäude. Die Stadtverordnetenversammlung „ist eindeutig dafür, alles aufzubieten, damit das Projekt zu Ausführung gelange“. Ins Auge gefasst wurden die damals freistehenden oberen Räume des Königlichen Schlosses, in der Hoffnung, diese unentgeltlich von der Regierung zur Verfügung gestellt zu bekommen. Aber sowohl bezüglich der Nutzung der Schloßräume als auch der Errichtung der „Realschule" kam eine Absage. An eine solche Schule, die dem Bildungsbedürfnissen von nur verhältnismäßig wenigen Schülern entspreche, kann erst dann gedacht werden, wenn für das Volksschulwesen genügend gesorgt sei. Auch waren die geforderten Mittel, die bereitgestellt werden mussten, so hoch, dass die Stadt sie ohne größere Forderungen an ihre Bürger nicht aufbringen konnte. Der Plan wurde also zunächst fallen gelassen.

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Bürgermeister Karl Hagedorn, dem die Bildungsforderungen der Bürger seiner Stadt sehr am Herzen lagen nahm den Gedanken aber bald wieder auf und band ihn in eine Gesamtkonzeption der Schulen in Delitzsch ein. Diese sah folgende Einrichtungen vor:

  1. Höhere Bürgerschule für Knaben
  2. Bürgerschule für Knaben
  3. Höhere Bürgerschule für Mädchen
  4. Bürgerschule für Mädchen
  5. Elementar- und Vorbereitungsschule für Knaben und Mädchen
  6. Armenschule

Dieser Reorganisationsplan für das Schulwesen der Stadt wurde am 1. März 1853 durch den Magistrat gebilligt. Die Stadtverordneten lehnten allerdings ab, da sie die Kosten wesentlich höher einschätzten als der Magistrat .Besonders betraf das den Plan der Errichtung einer Realschule. Auch in den folgenden Jahren kam es zu keiner Bewilligung und die Regierung begann nachdrücklicher die Beseitigung von Mängeln im Delitzscher Schulwesen zu verlangen.

Wieder war es Hagedorn, der 1857 zwei Pläne vorlegte, deren einer einen Schulneubau vorsah. Dabei betonte er: “Ich habe nun schon soviel vergeblich gearbeitet, um unserem Schulwesen eine bessere Gestalt zu geben; möge nicht auch diese Arbeit wieder vergebens sein.“

Einige Details der Überlegungen sollen hier exemplarisch aufgeführt werden. Die 8 Klassen der beiden höheren Schulen sollten von 9 Lehrern unterrichtet werden. Das Schulgeld sollte beträchtlich erhöht werden und 4, 8, 12 und 18 Taler je nach Klassenstufe betragen. Es wurde letztendlich sogar in den unteren Klassen noch höher festgesetzt. Das Schulgeld sollte die Lehrerbesoldung ungefähr decken. Diese war festgelegt mit 600 Talern (einschließlich Dienstwohnung) für den Rektor, der auch für die anderen Schulen der Stadt zuständig war, sowie 400 Talern (einschließlich Dienstwohnung) für den 1. Lehrer dann weiter gestaffelt 375, 350, 325 300, 300, 250, 200 Taler. Später schlug der Magistrat der Regierung in Merseburg eine nach Dienstjahren gestaffelte Besoldung vor.

Das neue Schulgebäude sollte auf dem Bleichplatz am Gerberplan errichtet werden, die Finanzierung über die Aufnahme einer Gemeindeschuld bei der Sparkasse erfolgen. Auch an den Bau einer Turnhalle auf dem Gelände hatte Hagedorn schon gedacht. Dieser Plan ist allerdings bis heute nicht realisiert. Diesmal bewilligten alle Gremien den Plan. Für eine Stadt, die damals nur 5901 Einwohner zählte, von denen 1186 auf die selbständige Vorstadtgemeinde Grünstraße entfielen, war die Gründung einer höheren Schule eine gewaltige Leistung.

Grundsteinlegung

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Die feierliche Grundsteinlegung fand am 21.September 1857 statt. Als Rektor wurde der Gymnasiallehrer Karl Franz Giesel aus Torgau gewonnen. Im Kreisblatt erging eine Aufforderung an die Bürgerschaft, ihre Söhne zur Aufnahme an die  1. Bürgerschule anzumelden. In dieser wurde das Ziel der Anstalt wie folgt formuliert:

„...die Knaben, wenn sie bis zum 14. oder 15. Lebensjahre die Schule frequentieren, entweder zur Aufnahme in die mittleren Klassen einer höheren Lehranstalt reif zu machen oder sie zum Uebergang in das bürgerliche Leben als Handwerker oder Kaufleute oder Landwirte usw. mit solchen Schulkenntnissen auszurüsten, wie sie für alle diejenigen notwendig sind, welche den Ansprüchen genügen sollen, die die gegenwärtige Zeit an alle diese Stände unbedingt stellt. Es werden deshalb nicht nur die alten Sprachen (Lateinisch , Griechisch) und die neuen Sprachen (Französisch, Englisch) getrieben, sondern es wird auch ganz besonders den Realwissenschaften bedeutende Aufmerksamkeit gewidmet werden.“

Die Stundentafel

Die Stundentafel enthielt folgende Fächer, aufgeführt in der damaligen Reihenfolge: Religion, Deutsch, Latein, Griechisch, Französisch, Englisch, Geschichte und Erdkunde, Mathematik, Rechnen, Physik, Naturgeschichte sowie Zeichnen. Die Fächer Religion, Deutsch und Latein waren in allen Klassenstufen belegt, Griechisch und Französisch in der Quarta und Tertia, Englisch nur in der Tertia. In der Sexta wurde Geschichte noch nicht unterrichtet sondern nur Erdkunde. Das Fach Rechnen ging dann in der Quarta und Tertia in das Fach Mathematik über, Physik wurde in den beiden Klassen stufenübergreifend unterrichtet, ebenso Zeichnen, das aber schon in der Quinta begann. Ab Quinta war durchgehend das Fach Naturgeschichte zu belegen.

Eine genauere Übersicht befindet sich in der Anlage Stundentafel. Betrachtet man sich die Reihenfolge der Fächer im Vergleich zur heutigen Reihenfolge, so kann man doch gravierende Ähnlichkeiten feststellen, besonders auch mit Blick auf die Fächergruppierung in der Sekundarstufe II. Die Angebote Griechisch und Englisch wurden aber nur von wenigen Schülern genutzt. Auch wurden noch andere Angebote im naturwissenschaftlichen Bereich offeriert. Man wollte damit den Schülern den Weg in die mittleren Klassen eines Gymnasiums oder einer Realschule ebnen. Allerdings ging diese Verzweigung nicht auf, da nur bei wenigen Schülern günstige Ergebnisse erzielt wurden. Man war schließlich gezwungen sich in einer Richtung zu konzentrieren, entweder die gymnasiale oder die reale.



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Mit Blick auf die örtlichen Verhältnisse wurde die letztere Variante gewählt, zumal das im Oktober erschienene Reglement für die Neugestaltung der preußischen Realschulen konkrete Vorgaben für das zu erreichende Ziel und den einzuschlagenden Weg machte. Große Unterstützung bei der Umgastaltung fand Rektor Giesel bei dem Lehrer der neueren Sprachen Heinrich Kayser, der 1862 seinen Dienst antrat und später Giesels Nachfolger als Rektor wurde. Den hohen Erwartungen konnte aber zunächst nicht entsprochen werden. Zum einen waren die Schulgeldsätze sehr hoch, dann fehlte der Schule die oberste Klasse (Sekunda) und schließlich damit die Möglichkeit zur Abhaltung von Abgangsprüfungen. Dadurch entwickelte sich auch der Zuzug von außerhalb nicht weiter, der letztlich eine Voraussetzung für eine angemessene Schülerzahl war. Auch fehlte die Stimmung weiter in die Schule zu investieren. Das zeigte sich in der Ablehnung des Baus einer geschlossenen Turnhalle.

Eine eigene Sporthalle hatte die Schule bis Mai 2011 nicht, abgesehen von der kleinen alten Halle auf dem Gelände des Hauses Reime. Diese konnte aber auch erst ab 2005 alleinig durch das Gymnasium genutzt werden und bedarf dringend einer Überholung, den Rektor Giesel beantragt hatte. Lediglich zur Aufstellung einiger Turngeräte auf dem Schulhof entschloss man sich. Schließlich hatte ja inzwischen ein Turnlehrer seinen Dienst aufgenommen. Offensichtlich waren die Stadtoberen der Meinung, mit der Errichtung des neuen Schulgebäudes genug getan zu haben.



Noch höhere und auf Dauer ausgelegte Ausgaben waren für die Stadt mit der Einrichtung der Sekunda zu erwarten. Auf der einen Seite würde diese den Abiturienten den Übergang in die Prima einer Realschule 1. Ordnung ermöglichen, auf der anderen Seite müsste die Stadt dann noch zwei Stellen für akademisch gebildete Lehrer schaffen und die Lehrergehälter drastisch erhöhen. Es galt also Nutzen und Aufwand gegeneinander abzuwägen. Dieser Vorgang war so dramatisch, dass die Zukunft der Schule auf dem Spiel stand. Schließlich wurde der Einrichtung der Sekunda zugestimmt unter der Maßgabe, dass die Stadt jährlich einen Betrag von 1300 Talern aus den Überschüssen der Sparkasse entnehmen durfte. Unter diesen Bedingungen stimmte auch die Regierung zu.



So startete 1863 die erste Sekunda mit 6 Schülern. Im Winter 1864/65 wurde der Antrag auf staatliche Anerkennung der Anstalt und Abhaltung der ersten Abgangsprüfungen gestellt.

Nach den ersten mündlichen Entlassungsprüfungen am 5. Mai 1865 wurde die Anstalt am 10. Juli als „Zur Abhaltung von Abiturienten-Prüfungen berechtigte höhere Bürgerschule“ anerkannt. Die ersten beiden Abiturienten waren im Jahr 1865 Adolf Pöschmann, Sohn des Fleischermeisters Pöschmann und Adolf Thormann, Sohn des Mühlenbesitzers Thormann. Zum Zeitpunkt der Antragstellung hatte die Schule folgende Struktur:

127 Schüler

  • Sekunda 6, Tertia 14, Quarta 34, Quinta 31, Sexta 42
  • Vorschule mit zweijährigem Kurs
  • Lehrpersonal: Rektor, 4 akademisch gebildete Lehrer, 2 Elementarlehrer
  • Gehälter: 800 Tlr., 550 Tlr., 500 Tlr., 450 Tlr., 400 Tlr., 325 Tlr. Und 300 Taler
  • Einnahmen aus Schulgeld: 1445 Taler und 10 Silbergroschen
  • Städtischer Zuschuss: 1950 Taler

Mit der bestandenen Abiturientenprüfung wurden folgende Berechtigungen erworben:

Aufnahme in die Prima einer vollständigen Realschule

  • Recht auf Zulassung zum einjährigen freiwilligen Militärdienst
  • Zulassung zum Studium der Tierheilkunde als Civileleve der Königlichen Tierarzneischule in Berlin
  • Befähigung zum Bürodienst bei der Bergwerksverwaltung
  • Befähigung zur Annahme als Post-Expedientenanwärter

Durch die Einrichtung der Sekunda nahm der Zuzug aus der Umgebung der Stadt spürbar zu, damit auch die Einnahmen aus dem Schulgeld, so dass der weiteren Entwicklung der Schule positiv entgegen gesehen werden konnte und die Bedenkenträger zunehmend verstummten.

Die weitere Entwicklung der Schule bis zur Oberrealschule

Die nächste Zielstellung war die Einrichtung einer Prima. Diese war zunächst für Ostern 1868 geplant und durch eine Petition von 77 Bürgern der Stadt erbeten worden. Die finanzielle Grundlage der Erweiterung sollte mit 12500 Talern aus den Überschuss des Reservefonds der Sparkasse als Dotationsfonds geschaffen werden. Durch den Weggang des Rektor Giesel 1868 wagte man sich aber nicht gleich an diesen Schritt sondern stellte ihn für Ostern 1878 in Aussicht (Die Unterprima wurde erstmals 1907 unterrichtet, die Oberprima folgte 1908.). Zunächst wurden nach einer gründlichen Revision der Schule am 17.4.1868 die Klassen Sexta bis Sekunda den Realschulen 1. Ordnung gleichgestellt.

Die Stadt war damit gefordert, die Lehrergehälter bei der Neubesetzung von Lehrerstellen zu erhöhen, den, den Unterrichtsmitteletat von jährlich 110 Talern auf 200 Taler aufzustocken, der Lehrerbibliothek einen einmaligen Zuschuss von 250 Talern zukommen zu lassen und einen besonderen Zeichensaal mit plastischen Modellen einzurichten. Außerdem hatte die Stadt die Zahlung der Beiträge der Lehrer in den Pensionsfond zu übernehmen. Die Vereinigung des Rektorats aller Delitzscher Schulen in einer Person wurde nicht mehr gestattet. Der Rektor der Höheren Bürgerschule hatte zusätzlich nur noch die Vorschule mit zu betreuen, die in zwei Klassen, wobei die ersten einen Zweijahreskurs durchlief, auf die höhere Schule vorbereitete.

Die räumlichen Bedingungen verbesserten sich 1871 nach der Fertigstellung des Neubaus der Knaben-Volksschule in der Bitterfelder Straße. Dorthin zogen die vier Elementarklassen um, die bisher die größten Räume in Anspruch nahmen, so dass die Einrichtung 1872 über folgende Räume verfügte: 5 Klassenräume für die Hauptanstalt, 2 Klassenräume für die Vorschule, Festsaal, Zeichensaal, physikalisches Laboratorium, Sammlungszimmer, Lehrerzimmer, Bibliothekszimmer. So stellte sich die Schule ab 1872 als in sich geschlossen dar, die Einrichtung einer Prima und damit die Aufwertung der Schule in eine Realschule 1. Ordnung oder auch die gelegentlich angedachte Umwandlung der Schule in ein Gymnasium scheiterten an den finanziellen Möglichkeiten der Stadt, zumal auch die Erhöhung des Dotationsfonds ab 1869 unterblieb.

Die Schule trug nun ab Ostern 1868 die Bezeichnung „Zur Abhaltung von Abiturienten-Prüfungen und den Realschulen erster Ordnung in den entsprechenden Klassen gleichgestellte höhere Bürgerschule“. Neben den bisherigen Möglichkeiten der schulischen sowie beruflichen Weiterentwicklung der Abiturienten wurde den Schülern, die die Sekunda nach einjährigem Besuch ohne Prüfung verließen, die Berechtigung zum einjährig freiwilligen Militärdienst und zur Annahme als Postexpedienten-Anwärter erteilt.

Für die Aufnahme in die unterste Klasse, die Sexta, gab es die Empfehlung, dass das beste Alter das vollendete 9. Oder 10. Lebensjahr sei. Die erforderlichen elementaren Kenntnisse und Fertigkeiten zur Aufnahme in die Sexta waren: „Geläufigkeit im Lesen deutscher und lateinischer Druckschrift; eine leserliche und reinliche Handschrift; Fertigkeit, Diktiertes ohne grobe ortographische Fehler nachzuschreiben; Sicherheit in den vier Grundrechenarten mit gleichbenannten Zahlen. In der Religion wird einige Bekanntschaft mit den Geschichten des Alten und Neuen Testaments, sowie (bei den evangelischen Schülern) mit Bibelsprüchen und Liederversen erfordert.“

Schulberichte

Im Folgenden sollen nun einige Ausführungen zum Schulalltag und zur Organisation der Schule in dieser Zeit gemacht werden. Grundlage dafür sind die Schulberichte, die der Rektor ab dem Schuljahr 1864/65 jeweils zu Ostern zum Ende des Schuljahres erstellte und die unter dem Namen Programm der Schule veröffentlicht wurden. Diese enthielten im Wesentlichen folgende Punkte:

  • Lehrverfassung (Lehrplan, Stundentafel, Verteilung der Lehrfächer unter die Lehrer)
  • Verfügungen der Königlichen Behörden und der Stadt
  • Chronik der Schule (mit den Aufgabenstellungen der schriftlichen Abiturprüfungen)
  • Schülerverzeichnis und Abgänger
  • Lehrmittel (Bestand, Spenden, Anschaffungen)
  • Mitteilungen (Termine der Zensuren- und Versetzungskonferenz, der öffentlichen mündlichen Abiturprüfungen und der öffentlichen Aufnahmeprüfungen)

Vorangestellt war oft die Abhandlung eines Lehrers zu einem selbst gewählten Thema. In den ersten beiden Jahren durch den Rektor Giesel selbst, 1865 zum Thema „Lösung von Differentialgleichungen“ abgefasst in lateinischer Sprache und 1866 über „Die Entstehung des Newton – Leibniz`schen Prioritaetsstreites hinsichtlich der Erfindung der Infinitesimalrechnung“.

Das Programm bot der Öffentlichkeit eine Orientierung über die Aufgabenstellung, Anforderungen und das Leistungsniveau der Schule. Besonders auch diese Abhandlungen gaben einen Einblick in fachliche Qualifikation des Lehrpersonals. 1866/67 war erstmals die Tagesordnung der Schüler, sowie die Verteilung der von den Lehrern zu korrigierenden schriftlichen Arbeiten auf die Tage und Wochen veröffentlicht.

Hier einige Auszüge aus beiden:

Tagesordnung:

Sommerhalbjahr: An den Wochentagen früh von 5 – 6 ½ Uhr Arbeitszeit, von 7 – 11 Uhr Schulunterricht, von 11 – 12 Uhr Arbeitszeit, von 12 – 2 Uhr Freizeit, von 2 – 4 resp. 5 Uhr nachmittags Schulunterricht, von 4 – 7 Uhr Freizeit, von 7 – 9 Uhr Arbeitszeit ... Im Weiteren sind einige Abweichungen für Sonnabend, Sonntag (Arbeitszeit und Kirchenbesuch) und einzelne Wochentage sowie das Winterhalbjahr betreffend aufgeführt. Man konnte also damals schon von einer Ganztagsschule sprechen, obwohl der Begriff nicht explizit verwendet wurde.

Außerdem wurden unter der Rubrik besondere Ereignisse im Schuljahr aufgeführt, zum Beispiel 1867/68:

  • 3. Juli nach Beendigung des Vormittagsunterrichts: Feier zur Erinnerung an die Schlacht bei Königgrätz
  • 27. August: Allgemeiner Schulspaziergang nach der Goitzsche, auch in diesem Jahre für Lehrer und Schüler ein Tag voller Freude und Erquickung
  • 31. Oktober: Feier des 350jährigen Jubiläums der Reformation und des 50jährigen Jubiläums der Gründung der Union.

Die Schule nahm an dem Festzuge zur Kirche und an dem Festgottesdienste teil, nachdem die Schüler am Tage zuvor auf die Bedeutung des Festes hingewiesen waren (Weitere solcher Beispiele werden später an der entsprechenden Stellen eingefügt.).

Am 11. November 1866 wurde im Rahmen des Friedensfestes vor der Schule eine Friedenseiche gepflanzt.

Wie schon bemerkt, verließ der Rektor Giesel zu Ostern 1868 Delitzsch, um die Rektorenstelle des Progymnasiums in Leer zu übernehmen. Der Oberlehrer Heinrich Kayser übernahm nun die Leitung der Schule. Bei der Weiterentwicklung der Schule hatte er aber zunächst einen schweren Stand, waren doch die Vertreter der Stadt mit dem bisher Erreichten sehr zufrieden. Zum anderen scheiterten die Überlegungen immer wieder an den finaziellen Gegebenheiten. Besonders die Vergabe weiterer Berechtigungen für die berufliche Entwicklung der Schüler war immer wieder an einen höheren Status der Schule und die damit verbundene Erhöhung der Lehrergehälter wie auch der Ausstattung an Unterrichtsmitteln gebunden. Die Zahl der Abiturienten hielt sich auch in bescheidenen Grenzen.

Der Zulassung der Abiturienten der Realschulen 1. Ordnung zum Studium der neueren Fremdsprachen, der Mathematik und der Naturwissenschaften, die nach Einrichtung einer Prima an der Schule möglich wären, entgegnete die Stadt mit den drei Freistellen, die sie für Schüler an der Landesschule Pforta (Die Landesschule Pforta befindet sich in der Nähe von Naumburg und ist auch gegenwärtig noch als Landesschule von Sachsen-Anhalt eingerichtet. Einer der Freiplätze wurde seinerzeit Christian Gottfried Ehrenberg von der Stadt zur Verfügung gestellt.)zur Verfügung hatte. So wurde die Entwicklung der Schule in ein Progymnasium und der anschließende Ausbau in ein Vollgymnasium erst einmal nicht in Angriff genommen. Die Lehrergehälter wurden nur vereinzelt aufgebessert und der Antrag auf einen Staatszuschuss in Höhe von 1800 Mark wurde durch den Minister abgelehnt. Die vergleichsweise niedrigen Lehrergehälter, die die Stadt zahlte, führte letztendlich zu häufigen Lehrerwechseln, eine Situation, die nicht zufriedenstellen konnte.

Von 1872 an wurde endlich begonnen, den Normalbesoldungsetat für die Lehrer einzuführen allerdings ohne die Wohngeldzuschüsse. Verbunden damit war eine beträchtliche Erhöhung des Schulgeldes im Jahr 1877 um ca. 30 %. 1873 wurde die Schule dem Königlichen Provinzialschul-Kollegium unterstellt, dass für die höheren Schulen zuständig war. Bisher unterstand sie wie die Elementarschulen der Abteilung für Kirchen- und Schulwesen der Königlichen Regierung in Merseburg. Dementsprechend war auch die unmittelbare Schulaufsicht und die Funktion des Stellvertreters der Prüfungskommission für die Abgangsprüfungen dem hiesigen Superintendenten übertragen worden.